Am 3. Dezember 2017 startete die fünfte Ausgabe des Festivals Aurores Montréal mit einer Hommage an die verstorbene Sängerin Lhasa de Sala in der Philharmonie von Paris. Die Hausband des Abends bestand aus den Musikern, mit denen sie unterwegs gewesen ist, darunter der Chefmusiker Yves Desrosiers. Nach einem kurzen Einspieler, der die Sängerin zeigte, performte Patrick Watson gefühlvoll den ersten Song des Abends: „De la cara a la pared“. Es folgten Sängerinnen und Sänger aus Spanien, Brasilien, Algerien, Frankreich und aus der frankokanadischen Provinz wie Safia Nolin begleitet von Emilie & Ogden sowie Plants And Animals. Sie interpretierten die Songs von Lhasas Album LA LLORONA aus dem Jahr 1997 sowie Songs ihrer weiteren Alben. Sie alle einte die Bewunderung für die verstorbene Sängerin. Zum Abschluss kamen sie alle auf der Bühne zusammen, während Lhasas Mutter Auszüge aus dem Buch der Sängerin vorlas. Der Abend, der nicht perfekt aber tief emotional war, erntete am Ende Standing Ovations.
Am 16. Dezember wurde das Konzert im Métropolis in Montréal erneut auf die Bühne gebracht.

Nach dem berührenden Abend in der voll besetzten Philharmonie ging das Festival am 4. Dezember in der Maroquinerie weiter. Auf dem Programm standen Helena Deland, Emilie & Ogden und Plants And Animals. Bereits am Nachmittag übertrug Radio Campus Paris aus der Maroquinerie Interviews und Songs von Plants And Animals und Coco Méliès, es folgte ein Showcase von Elliot Maginot.
Um 20 Uhr eröffnete die Montréalerin Helena Deland den Abend. Im letzten Jahr hatte an selber Stelle Lisa LeBlanc für einen tollen Abend gesorgt. Die junge Musikerin trat mit ihrer Bassgitarre auf die Bühne. Ihr erstes Konzert in Paris war ein kurzer Auftritt vor einem überschaubaren Publikum, bei dem sie Songs von ihrer EP DRAWING ROOM spielte. Nach einem kurzen Bühnenumbau knüpfte Emilie Kahn alias Emilie & Ogden an die Stimmung an, die Helena Deland vorgelegt hatte. Sie trat in einem weißen Kleid auf und nahm hinter ihrer Harfe Platz. Zuletzt war ihr Debütalbum 10 000 erschienen mit Songs wie „Ten thousand“ und „What happened“, die sie auch vortrug.

© Frédéric Petit

Der Release des Albums ist schon eine Weile her und so präsentierte sie auch neues Material, das auf der Nachfolgeplatte erscheinen wird. Warren Spicer, der das neue Album produziert und mit seiner Band Plants And Animals als letzter Act des Abends auftritt, gesellte sich für diese Songs zur Sängerin. Sie bediente barfüßig die Loopstation und bezog ihr Instrument auf eine neue Art mit ein, indem sie in den Rücken der Harfe flüsterte bzw. sang. Sie lieferte einen harmonischen Auftritt, verabschiedete sich am Ende mit einem schüchternen „merci“ und einer Verbeugung und ging mit ihrem weißen Paar Schuhen von der Bühne.
Es folgte der Umbau und der Soundcheck, der bereits erahnen ließ, dass es mit Plans And Animals lauter und rockiger werden würde. Sie waren gut drauf und legten energiegeladen los. Ihre Songs waren tanzbar und dazu ließen sich die Fans auch nicht lange bitten. Mit „No worries gonna find us“, „Good friend“, „All of the time“ und dem Cover von „Rising“ von Lhasa, das sie auch am Vorabend in der Philharmonie performt hatten, boten sie ein gutes Konzert, das beinah nicht zustande gekommen wäre, weil Warren Spicers Reisepass nicht in Ordnung war. Glücklicherweise stellten ihm die Behörden in kürzester Zeit einen neuen aus.

Am 5. Dezember verzückten Safia Nolin, Sara Dufour, VioleTT Pi und Émile Bilodeau im Centre Culturel Canadien das Branchenpublikum. Laurent Saulnier, Programmchef der FrancoFolies de Montréal, und der Journalist Benoît Lagane stellten sie in einem kurzen Gespräch vor, dann performten sie einen Song. Es folgte ein Showcase von Samuele. Samuele hat viel zu sagen, das sie in engagierte wie persönliche Songtexte kleidet, die im musikalischen Raum des Folk-Rock ihre Umsetzung finden.
Am Abend trat Émile Bilodeau für ein längeres Set an gleicher Stelle auf, während die Rapper von Alaclair Ensemble im Badaboum dem Publikum einheizten. Émile Bilodeau ist ein Unterhaltungskünstler mit einem interessanten Programm. Sein Album RITES DE PASSAGES kam 2016 heraus und er präsentierte davon Songs wie „Rosie“, „Crise existentielle“, „América“ und „Ça va“. Die Stimmung war ausgelassen und der junge Singer-Songwriter, für den gerade alles richtig gut läuft, hätte bei Texthängern auch gute Vertretung im Publikum gefunden. In der Zugabe spielte er „Bière“ und ein Cover von Jean Leloups Hit „I lost my baby“.

Konzerte von Reliefs, VioleTT Pi und Keith Kouna lockten am 6. Dezember auf ein Schiff, das in der Seine lag. Es schwankte, es wurde laut, es herrschte Stimmung.

© Frédéric Petit

Die drei Jungs von Reliefs starteten mit ihrer stimmungsvollen und die Fantasie anregende Instrumentalmusik. Die Songs sind u.a. auf ihrem Album NOS YEUX veröffentlicht. Aber auch neues Material stand auf ihrer Playlist, von dem noch nicht alles seinen Titel hatte. Sie befragten kurzerhand das Publikum nach ihrer Meinung.
Auf Reliefs folgte VioleTT Pi. Der Auftritt war dynamisch und die Bekleidung der Band wieder ein Hingucker, der Schlagzeuger war z.B. als Clown verkleidet und später stülpte Frontmann Karl Gagnon eine Bananenschale über seine Bierflasche. Befreiung liegt in solchen Details. Die Playlist setzte sich aus Songs von den Alben EV und MANIFESTE CONTRE LA PEUR zusammen und wurde ergänzt durch die Singles „Clé USB“ und „Labyrinthe“.

© Frédéric Petit

Der dritte Auftritt fiel in die Zuständigkeit von Keith Kouna, der auch Teil der Kultgruppe Les Goules ist. Auf seinem neuesten Soloalbum, BONSOIR SHÉRIF, hat er sich mehr am Rock orientiert. Seine Tracks heißen „Vache“, „Shérif“, „Ding dang dong“ und „Poupée“. Es herrscht eine Attitüde des Punk vor, die in Paris bereits eine engagierte Fangemeinschaft gefunden hat. Der Albumtitel zierte ihre Jeansjacken und Westen, der Text ging ihnen mühelos über die Lippen und die Musik direkt in ihren Körper über, die sich durch den Raum bewegten. Nur wenige Songs wie „Napalm“ und „Labrador“ in der Zugabe stimmten ruhige Klänge an.

In den nächsten Tagen folgten Konzert von Elliot Maginot, Coco Méliès und Jean-Michel Blais. Und am 10. Dezember ging das Festival in die Verlängerung mit der ersten Berlin Edition mit Safia Nolin und Fred Woods. Es war ein gelungener Auftakt, zu dem es sogar in der deutschen Hauptstadt geschneit hat.