Anfang April landeten The Franklin Electric in Berlin. In der deutschen Hauptstadt starteten sie ein paar Tage, nachdem sie in Montréal im ausverkauften Métropolis gespielt haben, ihre Tournee durch Europa. Ihr aktuelles Album BLUE CEILINGS ist kurz vorher erschienen. Während sich die Band im Musik & Frieden um den Aufbau auf der Bühne kümmerte, setzte ich mich mit dem Kopf der Band, Jon Matte, für ein Interview am anderen Ende des Raums mit den dunklen Wänden auf die Holzbank. Vor genau einem Jahr und zwei Tagen sind sie schon einmal hier aufgetreten, allerdings in einem anderen Saal. Nun starteten sie ihre zweite Headliner-Tournee durch Deutschland.
Jon Matte vermittelte eine innere Ruhe, wirkte aber gleichzeitig aufgeregt und hatte seine Kollegen auf der Bühne immer im Blick.

© J. Dummer

Vor Kurzem ist euer zweites Album erschienen. Wenn du nun auf die letzten Jahre zurückblickst, was hat sich verändert?

Jon: Dass wir mit unserer Musik heute mehr Leute erreichen. Zum anderen verändern wir uns natürlich. Wenn wir unterwegs sind, lernen wir Dinge dazu, die das Leben betreffen, entdecken verschiedene Kulturen und hören unterschiedliche Meinungen. Die verschiedenen Orte, die wir entdecken, öffnen unseren Verstand und unsere Herzen für neue Arten Mensch zu sein. Musikalisch gesehen liegt die Veränderung darin, dass wir verschiedene Einflüsse aufsaugen. Wir haben für viele Bands Konzerte eröffnet. Auf dem neuen Album vermischen wir bewusst Sounds und Style, die es zu dem machen, was es ist.

Als ihr damals in Montréal auf einem Showcase gespielt habt, habe ich euch zum ersten Mal gesehen. Seitdem verfolge ich eure Karriere. Letztes Jahr wart ihr dann zum ersten Mal auf Headliner-Tournee in Deutschland.

Jon: Wir sind gewachsen und als Band wachsen wir auch immer noch. Wir werden sehen, wo uns das hinführt.

Wie ist deine Band aufgestellt?

Jon: Für das Album haben wir mit verschiedenen Musikern aus Montréal zusammengearbeitet, z.B. mit Brad Barr, der Gitarre in einem Song gespielt hat und Liam O‘Neill, der Schlagzeuger von den Suuns. Er hat in einigen Songs Schlagzeug gespielt. Auf der Tournee sind wir zu viert unterwegs. Manchmal holen wir einen Musiker dazu oder wechseln einen aus. Martin ist z.B. von Anfang an dabei. Es ist eine Art Kollektiv oder vielmehr eine Band. Eine Band, deren Aufstellung sich verändert.

In den deutschen Medien ist die Montréaler Musikszene gerade hoch im Kurs. Was macht sie so besonders?

Jon: Montréal ist eine Art Zentrum für Musiker und das Leben dort ist erschwinglich, nicht zu teuer. Es ist also ein guter Ort, um seine Kunstfertigkeit weiterzuentwickeln und der sehr inspirierend ist. Kunst und Kultur sind dort wichtig. Vielleicht ist das der Grund dafür. Die Menschen kommen von überall aus Kanada und lassen sich in Montréal nieder. Die Stadt ist sehr offen, vereint viele Kulturen. Unterschiedliche Menschen mit verschiedenen Lebensweisen leben dort und es gibt ein breites, kulturelles Angebot. Das macht die Stadt zu etwas Besonderem, wenn man sie mit anderen Städten in Kanada vergleicht. Ich bin dankbar und froh, Montréal mein Zuhause zu nennen.

Wurdest du dort geboren?

Jon: Ich bin außerhalb von Montréal geboren und in einer kleinen Stadt namens Hudson aufgewachsen. Es ist eine anglophone Stadt, aus der auch Patrick Watson kommt. Aus dieser Stadt kommen einige Musiker, die dann nach Montréal gegangen sind und dort ihr Ding gemacht haben.

In Montréal gibt es jede Menge Locations, an denen man je nach Stand seiner Karriere auftreten kann, angefangen bei Bars bis hin zu größeren Konzertsälen wie dem Métropolis.

Jon: Das Métropolis ist einer der größten Säle, die dennoch eine intime Stimmung zulassen. Wir haben dort gerade vor ausverkauftem Haus gespielt, was Wahnsinn war. Es war wahrscheinlich einer der magischsten Nächte unseres Lebens.

Kanada feiert in diesem Jahr sein 150-jähriges Bestehen. Welche Stadt kannst du nach Montréal empfehlen?

Jon: Toronto ist ziemlich cool. Ich kenne mich zwar in Montréal besser aus, aber wir waren schon öfter in Toronto und bekommen immer mehr Eindrücke.

Und wie sieht es mit Städten in Deutschland aus? Welche Eindrücke hast du mitgenommen?

Jon: Berlin ist wirklich toll. Wir konnten die Stadt ein wenig erkunden, z.B. heute Morgen. Beim letzten Auftritt ist meine Trompete auf den Boden gefallen und um sie zu reparieren, habe ich nach einem geeigneten Laden gesucht. Ich landete in einem seltsamen Stadtteil 30 Minuten in Richtung Stadtrand. Es hatte etwas von Vorort, wo eine andere Stimmung herrschte. Berlin ist so groß und in den verschiedenen Stadtteilen trifft man auf verschiedene Stimmungen. Die Kultur scheint auch hier sehr offen zu sein, sodass die Leute und das, was sie darstellen wollen, akzeptiert werden. München ist ebenfalls eine schöne Stadt, die wohl sehr reich ist. Sie ist mir in guter Erinnerung geblieben. Wir haben vor knapp einem Jahr die Stadt auf geliehenen Fahrrädern erkundet. Es war damals einer der ersten sonnigen Frühlingstage und wir fuhren am Fluss entlang und genossen die Sonne.

In Berlin habt ihr eure Tournee durch Europa gestartet. Was magst du daran, unterwegs zu sein?

Jon: Wenn man auf Tournee ist, ist der Lebensstil eher schwierig, aber dafür lernt man Leute kennen, andere Kulturen und auch über sich selbst erfährt man mehr.

Bekommst du unterwegs auch Ideen für neue Songs?

Jon: Manchmal. Ich erstelle Memos auf meinem Handy, halte Jamsessions und so was darauf fest.

Wie kamst du auf die Idee für den Song „Can I get it back“?

Jon: „Can I get it back“ basiert auf einer Besessenheit für eine vergangene Geliebte. Ich glaube, ich habe das Mädchen vor zehn Jahren geliebt und letztlich sah ich sie als Maßstab für das, was Liebe sein soll. Nach zehn Jahren habe ich aber gemerkt, dass es eine verrückte Manie war, dass ich sie nie zurückbekommen werde und auch nie wieder dieselbe Liebe empfinden werde. Ich habe versucht, mich selbst zurück zu bekommen. Es war eine verrückte Lebenskrise. Und aus dieser Geschichte ist der Song entstanden. Am Ende habe ich verstanden, dass ich sie immer wieder auf ein Podest gehoben habe, aber es war nicht wirklich sie. Nimm ihren Namen weg, ihre Persönlichkeit und projiziere sie auf mich. Es war fast so, als ob ich ihre und meine Persönlichkeit kombinieren wollte, um daraus einen einzigen Menschen zu machen. Ich habe sie wirklich bewundert, aber das war vor zehn Jahren. Heute ist sie jemand anderes und nicht mehr dieselbe Person. Es ging mir um die Persönlichkeit, der ich begegnet war und von der ich wünschte, sie zu sein. Es ist eine ziemlich abgefuckte Geschichte.

Auf dem ersten Album war die Trompete, die du spielst, dominant. Auf BLUE CEILINGS hört man sie kaum.

Jon: Das ist okay. Sie ist schon da, in einigen Liedern, aber eher als Teil der Instrumentierung. Bei den Auftritten hole ich sie hervor. Auf dem Album hat sich das einfach so ergeben. Ich wollte nichts tun, nur weil ich es tun sollte. Ich arbeitete an den Liedern, die sich so entwickelt haben. Sie brauchen nicht immer ein großes Trompetensolo. Und nur weil ich Trompete spiele, bringe ich nicht zwangsläufig ein Solo unter. Das ist doch lächerlich. Ich respektiere lieber den Song, so wie er sich gut anfühlt. Bei den Auftritten hat die Trompete aber hier und da ihren Einsatz.

Greifst du lieber zur Trompete oder zu einem der anderen Instrumente, die du spielst?

Jon: Ich spiele noch Akustikgitarre, Klavier und Synth. Welches Instrument ich davon bevorzuge, wechselt von Tag zu Tag und hängt von meinen Stimmungen ab.

Ein paar Stunden nach dem Interview traten sie auf die Bühne des Musik & Frieden und sorgten für einen gelungenen Auftakt ihrer Tournee in Europa.