© J. Dummer

Pünktlich um 18 Uhr startete am 9. Juni 2016 die 28. Ausgabe der FrancoFolies in Montréal. Das Eröffnungskonzert gestalteten Brown, Alaclair Ensemble, Dead Obies und Loud Lary Ajust, vier Gruppen, die sich dem Hip-Hop verschrieben haben und die gerade auf der aktuellen Hip-Hop Welle in Québec surfen. Die Organisatoren der FrancoFolies kündigten das Konzert als größtes seines Genres an, dass es je in Québec gegeben hat. Und mit dem Line-up richteten sie sich gezielt an ein eher junges und sehr spezifisches Publikum. Die Berichterstattung der lokalen Medien in den Tagen vor der Eröffnung war beeindruckend. Während es untypisch kühl und windig an diesem Tag im Juni war und auch der eine oder andere Regentropfen fiel, ging das Konzept der Organisatoren auf. Bereits vor dem halbstündigen Auftritt von Brown versammelten sich viele Jugendliche auf der rue Sainte-Catherine.

Brown ist eine Gruppe der Brüder Snail Kid und Jam sowie ihrem Vater Robin Kerr, die Reggae und Dancehall sowie Rap mixt. In ihrem Repertoire hatten sie Songs wie „Lady“, „Me no care“, „Brown baby“ und „Spring again“. Im Anschluss an ihren Auftritt, liefen die Vorbereitungen für die nächste Band: Alaclair Ensemble. Sie wurden, wie zuvor Brown, vom Verantwortlichen für das Programm, Laurent Saulnier, angekündigt.

Vor sechs Jahren brachten Alaclair Ensemble ihr Album 4,99 raus, was als Geburtsstunde des Québecer Hip-Hop gilt. Alaclair Ensemble ist eine Gruppe mit vielen Mitgliedern, darunter Maybe Watson, Vlooper, KenLo Craqnuques, Claude Bégin, Robert Nelson, Eman und Mash sowie einem eigenen Logo: ein umgedrehtes, goldfarbenes Ahornblatt wie man es von der kanadischen Nationalflagge kennt auf lilafarbenem Hintergrund. Sie lieferten eine unterhaltsame Show, begrüßten den einen oder anderen Gast auf der Bühne und verließen diese auch mal, um gemeinsam mit dem Publikum abzufeiern. Dabei folgten Songs wie „Variette“, „Capoté“, „Snare drum“ und „Guerre nucléaire“ ziemlich schnell aufeinander; „Calinour“, bei dem das Gruppenkuscheln suboptimal funktionierte, war darunter eher unerwartet schnulzig. Für all diejenigen, die Alaclair Ensemble nicht kennen, lohnt sich ein Blick in die Texte – größtenteils online zu finden –, um deren Unterhaltungswert, deren Sprachspiele und Absurdität zu fassen. Mit einer Gruppenverbeugung verabschiedeten sie sich nach einem knapp einstündigen Konzert und es legte erneut DJ Manifest auf, um die Vorbereitungen für den Auftritt der Dead Obies zu überbrücken.

Bei den Dead Obies war auch Snail Kid dabei, der zuvor mit Brown auf der Bühne stand. Im letzten Sommer traten sie auf einer wesentlich kleineren Bühne der FrancoFolies auf. Nun zogen sie mit ihrem Auftritt viel Publikum an, so dass es vor der Bühne extrem eng wurde. Im Hinblick auf die wenigen Grad Außentemperatur hatte das auch seine Vorteile, aber während man bei Alaclair Ensemble noch mit der Masse mitgehen konnte, wurde das bei den Dead Obies schwieriger. Der Sound war allerdings auch weiter hinten gut, wo es noch genug Platz gab, um dem Beat zu folgen.

Im März 2016 erschien ihr aktuelles Album GESAMTKUNSTWERK. Ich bin mir sicher, dass sie eine gute Show ablieferten und darauf auch Loud Lary Ajust, die den Abend, an dem ausschließlich Hip-Hop im Franglais, einer Mischung aus Französisch und Englisch, auf dem Programm stand, beendeten. Der ständige Duft von Marihuana in der Luft und eine eigenwillige Atmosphäre irgendwo zwischen Partylaune und aggressiver Stimmung drängten mich immer weiter von der Bühne und irgendwann schließlich ganz weg. Ich hoffe, dass die Truppe junger Mädchen, die zu Beginn des Abends ziemlich aufgeregt noch neben mir stand, ihren Spaß auf dem Eröffnungskonzert hatte und dass sie sich nicht verloren haben.

Für den einen im Publikum, der mit Hip-Hop wenig am Hut hatte, war es sicher eine Entdeckung eines Genres, das momentan in seiner eigenen Liga spielt, für den anderen vielleicht eine Überflutung der Sinne.