Eine Ausgabe der FrancoFolies de Montréal ohne Pierre Lapointe? Kaum vorstellbar. 2012 eröffnete er das Festival, 2014 gab er seine Show zum Album PUNKT ebenfalls auf der Hauptbühne des Festivals zum Besten und es gab auch immer wieder Konzerte an unterschiedlichen Locations im Rahmen des Festivals. In diesem Jahr bot er eine Reise in die Vergangenheit an. Laurent Saulnier, verantwortlich für das Festivalprogramm, begüßte das zahlreiche Publikum. Er leitete in den Abend ein, der zurück in das Jahr 2006 führte, Jahr, in dem Lapointes Album LA FORÊT DES MAL-AIMÉS herausgekommen war. Einige Leute im Publikum dürften seine Musik damals noch nicht gekannt haben, andere waren vielleicht noch nicht geboren, aber es war damals das Publikum, das für den Erfolg seines vielfach ausgezeichneten Albums gesorgt hat. Aus aktuellem Anlass gibt es das Album zehn Jahre später als LP in einer Auflage von 500 Stück.
Auf der Bühne stand der bühnenerprobte Pierre Lapointe mit denselben Musikern wie damals und sie hatten die gleiche Setlist im Gepäck. Philippe B, Josiane Hébert, Philippe Brault, Guido Del Fabro und Tony Albino, sind heute erfolgreiche Musiker und Produzenten mit eigenen Projekten. Für diesen Abend waren sie wieder auf einer Bühne vereint. Die Prämisse lautete: kein Song, der nach 2006 entstanden ist.
Der Sänger nahm die gesamte Fläche der Bühne in Anspruch, stand mal mit dem Mikro in der Mitte und setzte sich dann ans Piano, um dort selbst zu spielen und zu singen. Das Piano teilte er sich auch mal mit Josiane Hébert wie bei „Le lion imberbe“. Den musikalischen Stücken lauschte das Publikum aufmerksam und in den kleinen Pausen hörte man von ihnen nichts. Nach jedem Song kehrte sich die Stille in tosenden Applaus um. Und wenn Pierre Lapointe nicht zufrieden war, wie das Publikum seine Songs begrüßte, unterbrach er das Ganze auch schon mal wie bei „Au nom des cieux galvanisés“. Aber nicht, ohne den Leuten eine zweite Chance zu geben, um zu vermeiden, dass er als enttäuschter Musiker von der Bühne zu sich nach Hause geht und dort Spiele spielt. Die Reaktionen des Publikums vermieden an diesem Abend, dass er in diese Kategorie fällt und er setzte den Song neu an. Dieses Mal sang er ihn, unterstützt vom Publikum, zu Ende. Es gab auch den einen oder anderen Song von seinem ersten Album: „Hyacinthe la joie“ oder in der zweiten Zugabe „Pointant le nord“.
Das Universum von LA FORÊT DES MAL-AIMÉS ist teilweise mystisch und bedrohlich, düster und traurig, manchmal auch das Gegenteil. Einige Lieder davon wie „Plaisirs dénudés“ hat er seit vielen Jahren nicht mehr gespielt. Das änderte aber nichts an der Souveränität, mit der er den Abend gestaltete. Mit seiner langjährigen Bühnenerfahrung hatte er wieder einmal alles im Griff und beeindruckte mit seinen verhaltenen und reduzierten Tanzeinlagen, seiner ausladenden Theatralik, aber auch mit seinen klaren Worten zu aktuellen Themen wie der Vielzahl an Baustellen in Montréal und dem Künstlerdasein. Seine Botschaft an das Publikum bestand u.a. darin, die lokalen Künstler zu unterstützen und Kunst aus Québec zu konsumieren, am besten das ganz Jahr über.
In seinem Anzug vom Designer Walter Van Beirendonc erstrahlte Pierre Lapointe den ganzen Abend über im Scheinwerferlicht. „Au pays des fleurs de la transe“ war der letzte Song vor der Zugabe. In der Zugabe gab es ein Cover von Jacques Brels „Au suivant“, die Gelegenheit auch die belgischen Gäste im Publikum zu begrüßen und „Deux par deux rassemblés“, eine Einladung zum Tanzen. Sogar Pierre Lapointe legte sein Mikro weg, um ordentlich das Tanzbein zu schwingen. Und noch einmal ganz andere Töne stimmte er mit „Pointant le nord“ an, den er allein am Piano spielte und mit dem er das Publikum zur nächsten Bühne oder nach Hause entließ. Es war erneut ein gelungener Auftritt von Pierre Lapointe und man darf gespannt sein, was er sich für die kommenden Jahren überlegen wird.