Was kannst du mir zu Pompei sagen?
Aliocha: Der Film ist eine Koproduktion zwischen Kanada, Frankreich und Belgien und wurde von John Shank und Anna Falguères realisiert. Meine Schauspielkollegin ist Garance Marillier, die in dem Film Grave mitgespielt hat. Sie ist echt außergewöhnlich.
Es ist eine Liebesgeschichte und spielt in einer Zeit, die nicht die Gegenwart ist. Es ist auch kein Science Fiction, aber es ist nicht klar, wann sie genau spielt. Es gibt kein Telefon, es gibt alte Autos, die vielleicht auf die Jahre 1980, -90 oder 2000 verweisen. Welches Jahr genau weiß man nicht. Es gibt so gut wie keine Erwachsenen im Film, nur uns Anfang 20-Jährige und Kinder. Der Ort hat was von einer Wüste. Viele Zuschauer, die den Film gesehen haben, dachten an Mexiko, aber gedreht haben wir in Südfrankreich. Wir sind verlassene Menschen, die keine Zuneigung oder Liebe kennen. Als Billie, gespielt von Garance Marillier, zu uns stößt, entdecken wir die Liebe als etwas, von dem wir nie gehört hatten.
Und wen spielst du?
Aliocha: Ich spiele neben Garance die männliche Hauptfigur namens Victor. Er ist passiv, lebt ohne Zuneigung. Er kümmert sich um seinen kleinen Bruder, schleicht sich zu archäologischen Ausgrabungen, wenn die Arbeiter weg sind und versucht Sarkophage zu stehlen. Er wurde von seinem Vater verlassen.
Die Geschichte zu erzählen ist schwierig, weil wenig geschieht. Der Film ist lang. Es gibt sehr wenige Dialoge. Man sieht, wie zwei Menschen sich näher kommen und am Ende gibt es etwas Neues, etwas Schönes, das entstanden ist, aber auf ganz zarte Weise, was es schwierig macht, zu verstehen, wie es entstanden ist.
Es gibt also nur wenig Text. Wie hast du dich auf die Rolle vorbereitet?
Aliocha: Wir sind ja auch nicht ständig am Reden und es ist nicht so, als ob es Szenen waren, in denen ich hätte reden müssen, aber nicht reden durfte und ich mich also auf andere Weise hätte ausdrücken müssen. Wenn wir im Alltag manchmal nicht reden, drücken wir dennoch etwas aus. Was schwierig war, war sich langsam zu entwickeln. In jeder Szene mussten kleinste Elemente äußerst sachte vermittelt werden. Das war eine Herausforderung.
Wie hast du die Berlinale erlebt?
Aliocha: Ich war beeindruckt, dass der Saal bei unserer Vorstellung voll war. Ich weiß nicht wie viele Leute, vielleicht 800. Und sie sind danach für das Q&A geblieben. Es waren junge Kinofans, vielleicht 17, 18 oder 19 Jahre alt, die Fragen gestellt und Interesse gezeigt haben. Das gibt Hoffnung für die Kinobranche. Der Film lief in der Kategorie „Generation 14plus“. Wir liefen nicht im Wettbewerb, also gab‘s nicht den großen roten Teppich mit Fotografen und so. Das passte mir ganz gut, weil ich mich in Situationen, die zu glamourös sind, schnell unwohl fühle.
Erzähl mir von deinem neuen Album NAKED!
Aliocha: Oft spreche ich im Vergleich zum ersten Album darüber, was zwar normal, aber nicht immer das Beste ist. Ich sehe Musik machen als ein Voranschreiten. Man geht voran, stützt sich aber auf die letzten Schritte. Ich wollte einige Dinge ändern. Das erste Album ist insbesondere von der Musik der 1960er Jahre beeinflusst. Davon wollte ich komplett weg. Wenn man mir sagt, meine Musik sei zeitlos, habe ich den Eindruck, sie sei doch irgendwie von früher, dabei will ich Musik von heute machen. Ich denke, dass ich das kann. Ich wollte modern sein und meine Generation ansprechen. Zudem wollte ich zu mir selbst finden, in dem ich Sachen ändere, eine andere Richtung einschlage. Die Verbindung beider Alben bin ich. Und das werde ich auch sein, wenn ein drittes Album kommt, das wiederum anders sein wird. Auf dem Weg, mich meiner Selbst anzunähern, bin ich der rote Faden.
NAKED ist also moderner, kommt mit weniger Instrumenten aus, ist schlichter, eine Konzentration auf mich, auf meine Stimme, denn ich habe viel an ihr gearbeitet. Die Schlichtheit findet sich in der Musik und in den Texten, also in der Machart aber auch was die Themen angeht, wie Reinheit und Einfachheit. Auch deshalb heißt das Album NAKED.
„The party“ eröffnet das Album, und dazu gibt es auch schon ein Video.
Aliocha: „The party“ verkörpert das Album, auch wenn es kein Tanzalbum ist. Der Song ist eine Einleitung, in der es heißt: „I‘m going to a town where we can be free at least for a day“. Es ist wie das Erzählen einer Geschichte. Weiter heißt es: „I will be an exemplary guest“ – ein perfekter Gast, der brav ist und den die Mutter lieben wird. Es ist ironisch gemeint, denn mir ist danach, auszubrechen, verrückt zu sein. Und das sieht man im Video, wo ich wie ein Irrer auf dem Tisch tanze. Ich wollte mich amüsieren und die Vernunft links liegen lassen.
Zum Titelsong ist ebenfalls ein Video erschienen. Beide Videos hast du mit deinem Bruder Vassili gedreht. Ist das etwas, was du fortsetzen möchtest?
Aliocha: Ich wollte die Kontrolle behalten. Wenn man die Umsetzung eines Videos an einen externen Regisseur gibt, hat man kaum noch die Kontrolle darüber. Es ist auch nicht förderlich, zu versuchen sie auszuüben, weil das sowohl ihm als auch einem selbst nur die Arbeit erschwert. Wenn ich jemandem ein Video anvertraue, möchte ich ihm zu 100 % vertrauen und ihm freie Hand geben. Jemandem für mein Projekt freie Hand zu geben, sodass er dem Projekt das Gesicht gibt, fand ich verrückt. Es soll mir ähneln und deshalb wollte ich es selbst machen. Ich habe meinen kleinen Bruder gefragt, ob er mir hilft, weil ich seine Verrücktheit mag. Wir haben viel gelacht. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass wir arbeiten, sondern einfach Dummheiten machen und uns amüsieren und dass das auf dem Bildschirm dann rüberkommt. Bis jetzt habe ich den Eindruck, dass es funktioniert. Es gibt ein drittes Video zu „Peggy“. Es ist das erste Video, das wir zusammen gedreht haben. Es ist ein paar Monate vor dem Video zu „The party“ entstanden. Gedreht haben wir es mit dem iPhone in Paris.
In Paris wurde das Album auch aufgenommen, und zwar im Studio von Samy Osta, der das Album produziert hat.
Aliocha: Ich wollte wieder mit Samy arbeiten. Beim ersten Album hatte er sein Studio noch nicht in Paris, weswegen wir nach Schweden gegangen sind. Ich wollte wieder mit ihm arbeiten, weil ich das Gefühl hatte, dass ich mich seit dem ersten Album weiterentwickelt habe und dass wir uns bei einer erneuten Zusammenarbeit woanders treffen würden. Es würde anders als beim ersten Album sein. Ich hatte das Gefühl, dass ich beim ersten Album nicht zu 100 % von ihm profitieren konnte, weil ich nicht bereit war. Also sollte es dieses Mal so sein. Wir haben uns wirklich an einer anderen Stelle wiedergefunden. Das Album ähnelt dem ersten Album überhaupt nicht.
„Turn to grey“ ist ein weiterer von zehn Songs auf dem Album, der sich hervorhebt. Erinnerst du dich an die Aufnahme des Songs?
Aliocha: Wir haben einfach verschiedene Sachen ausprobiert. Wenn Samy mich gefragt hat, was ich als Song habe, sagte ich „das, das und das“. Dann haben wir das einfach aufgenommen und die Songs im Anschluss überarbeitet, ein paar Akkorde verändert, verschiedene Versuche mit der Stimme angehört. Bei „Turn to grey“ fanden wir meine Stimme aus der ersten Aufnahme besser als spätere Versuche.
In deinen Songs gibt es viele Fragen, die sich an ein „du“ richten, das nicht antwortet.
Aliocha: Musik, die Antworten gibt und Lektionen erteilt, mag ich nicht. Es ist gut, Fragen zu stellen. Wenn ich „du“ sage, richtet sich das oft an mich selbst. In „Turn to grey“ stelle ich Fragen, hinterfrage aber auch Dinge. Es ist fast eine Anklage an jemanden, der nicht genug Kontrolle über sein Leben hat. Auf dem Album spreche ich davon, wieder die Kontrolle über sein Leben zu gewinnen. Deshalb drehe ich auch meine Videos selbst, um die Kontrolle über das Bild, das Video, das gesamte Image des Projekts zu haben. Das ist das Thema in mehreren Songs, z.B. in „Peggy“ und auch in „I‘m gone“.